Ein Hausmeister für alle Fälle

An article published in SPIEGEL-EI edition9/2005, valid from 25.04.2005 to 08.05.2005.

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Der klotzige Bau auf der Borsbergstraße sieht von außen nicht sehr gemütlich aus. Dieser Eindruck bestätigt sich auf den langen Fluren im Inneren. Kein Sonnenstrahl hat je das braune Linoleum der Gänge berührt, die nur jeweils an der Stirnseite ein Fenster haben. Erstaunlicherweise gibt es aber trotzdem eine Reihe von StudentInnen, die während ihrer gesamten Studienzeit in der „Borsi“, wie die Borsbergstraße 34 allenthalben genannt wird, wohnen.

Vielleicht ist dieser Umstand aber nicht so erstaunlich, wenn man den freundlichen Hausmeister Bernd Hofmann kennen gelernt hat. Geht man mit ihm durchs Haus und ein Student kommt des Wegs, so grüßt man sich ganz selbstverständlich, und der beeindrucken- de Werkzeugwagen, der im Fahrstuhl des sechsstöckigen Gebäudes auf ihn wartet (Foto) spricht seine eigene Sprache. „Vergessen Sie mal ’ne Schraube im Hausmeisterbüro (im Erdgeschoss!), und dann stehn sie im 5.Stock und wollen was reparieren, und wegen e i n e r Schraube müssen sie wieder runter sausen“, erklärt mir Bernd Hofmann bildreich die Existenz seines Werkzeugwagens Marke Eigenbau.

Dass er in Dresden geboren ist, muss er mir eigentlich nicht sagen, das hört man ohne jeden Zweifel heraus, aber das sächsische Timbre trägt wohl zu seiner symphatischen Erscheinung bei. Keine anonyme Sprachbox, kein unbekannter Handwerkerservice, sondern ein Hausmeister für alle Fälle. Neben dem Wohnheim Borsbergstraße betreut Bernd Hofmann auch noch das Wohnheim Neuberinstraße, eine sanierte Wohnanlage in Dresden-Laubegast, direkt an der Elbe. Er sagt, er macht seine Arbeit gern und das nimmt man ihm auch sofort ab, denn seine offene und unkomplizierte Art ist es wohl, mit der er die Studenten für sich einnimmt.

Morgens ist er manchmal schon um kurz nach 6.00 Uhr im Wohnheim, da kann er ganz in Ruhe arbeiten und außerdem muss er sich nicht durch den Dresdner Stau quälen, der spätestens um 7.00 Uhr beginnt, denn sein Arbeitsweg von Radeburg ist relativ weit. Früher war er mal Jockey, und die Rennbahn in Dresden-Seidnitz kennt er gut, aber ein schwerer Reitunfall machte alle Hoffnungen auf eine weitere Laufbahn als Berufsreiter zunichte, und er fing an, im Forst zu arbeiten, später war er als Dreher tätig und schließlich kam er als Heizer und Hausmeister zum Institut für Lehrerbildung (IfL) nach Radebeul.

Nach 1990 wurde das IfL aufgelöst, und Bernd Hofmann wechselte zum Studentenwerk, wo er zwar zuerst eine alte Villa auf der Julius-Otto-Straße und Baracken an der Wiener Straße betreute. Diese Objekte existieren heute gar nicht mehr im Wohnheimbestand des Studentenwerks, und so erging es auch dem legendären Wohnheim Güntzstraße 28 – als dieses seine Pforten schloss, kam Herr Hoffmann zur Borsi 34. Und trotz dunkler Flure, er weiß auch, was „seine“ Studenten am Wohnheim schätzen. Die Einzelzimmer im unsanierte Wohnheim sind relativ preiswert, im hauseigenen Club Borsi 34 oder in den Gemeinschaftsküchen trifft man sich, und so ungefähr weiß man schon, wer auf der Etage wohnt und wer nicht. Nur wenige Beschwerden landen bei ihm, und die meisten lassen sich aus der Welt schaffen, ohne dass es massiven Ärger gibt.

Die großzügigen Freiflächen rings um das Haus verleihen dem Betonklotz ein etwas freundlicheres Antlitz, für Bernd Hofmann allerdings heißt es ab dem Frühjahr immer wieder – Rasen mähen bis zum Überdruss. Manchmal muss er auch die eine oder andere leere Weinflasche wegräumen, aber – da winkt er ein bisschen resigniert ab – „ Wir waren alle mal jung, und meine zwei Kinder sind auch noch im Alter der Studenten, da habe ich doch Verständnis für die jungen Leute, die wollen ab und zu feiern und vergessen dann das Wegräumen.“

In seiner Freizeit fährt Bernd Hofmann nur selten weit weg, ein großes Grundstück und ein riesiger Hund – ein Kaukasier, 65 kg schwer – fordern den ganzen Mann, da bleibt keine Zeit für große Reisen.

Anja Buch

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