Studieren in der "Goldenen Stadt"

An article published in SPIEGEL-EI edition17/2003, valid from 11.08.2003 to 24.08.2003.

Please note: The information in this article may no longer be up to date
This article is from an older SPIEGEL-EI edition. Please note that information e.g. on opening hours or contact persons may have changed in the meantime.

Im Jahr 2001 bin ich das erste Mal auf das Angebot eines Stipendiums für ein Studium in Prag ( beim Akademischen Auslandsamt gibt es Informationen dazu) gestoßen. Im Rahmen dieses bilateralen Abkommens können jedes Jahr zwei deutsche Studenten ein Semester in Prag studieren. Man bekommt die Studiengebühren erlassen und zusätzlich ein Taschengeld (etwa 150,- Euro). Eine andere Möglichkeit in Prag zu studieren wäre als ERASMUS-Student. In Dresden bietet die Juristische Fakultät ERASMUS-Plätze in Prag an.

Ich aber bewarb mich beim Auslandsamt für das genannte Stipendium und durfte dann im Wintersemester 2002/03 in Prag an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät studieren. In der auf die Zusage folgenden Zeit war es das größte Problem, das Visum zu beantragen, da man dies für ein Studium in Tschechien benötigt. Dabei kam es zu ersten Konfrontationen mit der tschechischen Bürokratie (welche im Übrigen nicht die letzten blieben). Das Ganze war also extrem zeit- und kostenaufwendig. Auch gab es anfangs kleine Probleme mit der Zusage aus Prag sowie der Unterkunft. Diese Unterlagen bekam ich erst sehr spät (was sich wiederum auf den Visumsantrag zeitverzögernd auswirkte). Nichtsdestotrotz bin ich dann Anfang Oktober zur Einführungswoche nach Prag gefahren. Anfangs war ich noch sehr skeptisch wegen meiner geringen Tschechisch-Kenntnisse. In Prag angekommen stellte ich aber fest, dass ich zu den wenigen Austauschstudenten gehörte, welche überhaupt schon tschechisch gelernt hatten.

Dementsprechend gab es auch ein relativ reiches Angebot an englischsprachigen Vorlesungen. Die Benotung der Lehrveranstaltungen erfolgte nach dem European Credit System, so dass eine Anerkennung in Deutschland prinzipiell kein Problem darstellt. Trotzdem sollte man vorher Rücksprache mit den entsprechenden Instituten halten, um sich abzusichern. Die Sache mit dem Wohnheim hat auch gut geklappt, allerdings habe ich auch von Leuten gehört, welche am zugeteilten Wohnheim abgewiesen worden und in ein anderes (welches natürlich am anderen Ende der Stadt stand) geschickt worden waren. Im Wohnheim waren alle Erasmus-Studenten auf einem Flur untergebracht. Ich hatte einen deutschen Mitbewohner. Es gestaltete sich dementsprechend schwierig, Kontakte mit tschechischen Studenten zu knüpfen, da die Austauschstudenten zum größten Teil unter sich blieben. Die Wohnheime sind sauber und billig (etwa 60,- Euro). Allgemein sind die Lebenshaltungskosten in Tschechien viel niedriger, so dass man auch für Verpflegung ( in der Mensa kostet ein Menü 80 Cent) oder Monatskarte (7 Euro) wenig bezahlt.

Das Qualität des Studiums ist gut. Hörsäle, Computerkabinette, Bibliotheken etc. sind auf dem gleichen Niveau wie in Dresden. Die englischsprachigen Vorlesungen werden sowohl von tschechischen Lektoren als auch von Gastprofessoren gehalten. Sie sind aber meist sehr allgemein und nicht sehr speziell. Auch gab es überraschend wenige Veranstaltungen über Tschechien (Politik, Geschichte, EU-Beitritt etc.). Das haben viele Austauschstudenten bemängelt. Prinzipiell ist ein Auslandsaufenthalt als Erasmus-Student jedem zu empfehlen, weil man so die Gelegenheit bekommt, andere (Studien-)Kulturen sowie viele Studenten aus ganz Europa kennenzulernen. Prag ist seiner räumlichen Nähe (drei Stunden Zugfahrt von Dresden), der guten Studienbedingungen, der geringeren Lebenshaltungskosten und nicht zuletzt seiner Schönheit wegen zu empfehlen. Allerdings sollte man ein gewisse Immunität gegen Touristen sowie ein gewisses Verständnis für die tschechische Mentalität mitbringen, denn unfreundliche Kellner und Beamte sind ebenso üblich, wie zwischen den Vorlesungen Fassbier für 50 Cent am Büfett zu trinken. Das allerdings war nur ein weiterer Grund, meinen Aufenthalt um ein Semester zu verlängern.

Claus Schreier

Back to the overview of SPIEGEL-EI edition17/2003