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Wie hoch liegt La Paz? Eine kolumbianische Studentenfamilie vorgestellt

An article published in SPIEGEL-EI edition16/2005, valid from 01.08.2005 to 14.08.2005.

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Bolivien liegt in Südamerika. Soviel wissen wir ja alle noch, aber dann... Wie ist das Klima in diesem Land, gibt’s Schnee im Winter... Wissenslücken schließen sich im Laufe des Gespräches mit Katia Gil, Studentin mit DAAD-Stipendium an der TU Dresden. Sie ist in La Paz, Boliviens größter Stadt und Regierungssitz (aber nicht Hauptstadt, die heißt Sucre), aufgewachsen und zwölf Jahre in die dortige deutsche Schule gegangen. Sie erzählt mit viel Zuneigung und Wärme von ihrer Heimat, in der ihre Zwillinge vor drei Jahren geboren wurden und wo sie an der Katholischen Bolivianischen Universität von La Paz in den Fächern Statistik und Mathematik unterrichtet.

Schon als Siebzehnjährige war sie als Austauschschülerin in der Nähe von Nürnberg zu Gast und hat immer wieder daran gedacht, nach Deutschland zu kommen.

Als sie die Zusage vom DAAD erhielt, einen viersemestrigen Masterstudiengang an der TU Dresden „ Erwachsenenpädagogik in der internationalen Entwicklungsarbeit“ zu belegen, sagte sie zu. Es wurde Familienrat gehalten, und ihr Mann, Nelson Fernandez, beschloss, seine Arbeit als Geschäftsmann ruhen zu lassen und in Deutschland den Beruf des Hausmanns zu übernehmen. (Hört, hört, ihr deutschen Männer – welcher deutsche Jungunternehmer würde wohl seinen Beruf aufgeben und seiner Frau auf einen anderen Kontinent folgen, um dort Kinder und Haushalt zu versorgen???).

Inzwischen hat sich die Familie schon ein bisschen eingelebt in Dresden, für die Kinder wurde ein Kindergarten gefunden, und was Katja Gil sich vor allem wünscht, ist der Kontakt zu anderen, vielleicht spanisch sprechenden Familien mit Kindern (wer möchte, kann sich gern im Studentenwerk, Abt. Marketing/Soziales/Kultur melden, wir stellen dann den Kontakt her).

Zwar hat sie vor Beginn des Studiums noch einen Kurs am Goethe-Institut belegt, aber sie möchte auch ihren Kindern und ihrem Mann die deutsche Sprache nahe- und beibringen, damit sie sich verständigen können. Ihre Kinder sah sie zu Hause in La Paz jeden Tag für viele Stunden, und eine Oma gab es da auch. Hier drückt sie früh ihrem Mann die Kinder in die Hand und sieht sie erst am Abend wieder. Zwar hat sie der Kindergärtnerin ein Wörter- buch mitgegeben, aber wenn Samuel, der kleine Sohn, nach „Kiqui“ weint – was in Bolivien der Kosename für seine Großmutter ist – dann nützt auch das beste Wörterbuch nichts.

Aber Katja Gil ist optimistisch, sie weiß, dass Kinder nie wieder so schnell Sprachen lernen wie im Vorschulalter. Vielleicht findet sich ja auch bald eine größer Wohnung im Wohnheim Gerokstraße oder Hochschulstraße, denn im Wohnheim Gutzkowstraße, wo die Familie derzeit untergebracht ist, wohnen kaum Familien, und der Platz für eine vierköpfige Familie ist ungünstig verteilt – zwar ist die Küche sehr groß, aber es gibt dann nur einen weiteren Raum zum Schlafen für alle.

Es ist nicht einfach für die junge Frau, alles zu managen: Familie, Studium und das „neue Land“ müssen erstmal unter einen Hut gebracht werden. In Bolivien ist jetzt Winter, allerdings ohne Schnee: Die Stadt La Paz liegt zwar 3.800 m hoch, aber Schnee liegt nur auf den „richtigen Bergen“. An das (momentan) heiße Deutschland muss sie sich noch gewöhnen. Bolivien hat keine Küste, aber viele Berge, es zählt zu den ärmsten Ländern des südamerikanischen Kontinents.

Die Familie Gil-Fernandez ist sich aber sicher, dass sie den Schritt, gemeinsam nach Deutschland zu gehen, nicht bereuen werden und ihnen die Erfahrungen hier in Bolivien nützlich sein werden. Vielleicht kann sich Katja Gil sogar ihren heimlichen Wunsch erfüllen und Lehrerin an der deutschen Schule in La Paz werden, wo sie selbst als Kind gelernt hat.

Anja Buch

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