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BAFöG und keine Ende der Aktenberge - Ein Tag im Leben des Chefs des BAföG-Amtes

An article published in SPIEGEL-EI edition13/2007, valid from 25.06.2007 to 08.07.2007.

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Die offizielle Bezeichnung der Tätigkeit von Manfred Krebs lautet: Hauptabteilungsleiter des Amtes für Ausbildungsförderung. An einem Dienstag im Juni begleitet ihn eine Spiegel-Ei-Mitarbeiterin einen ganzen Arbeitstag lang.

Wenn Manfred Krebs seinen Arbeitstag um 7.00 Uhr beginnt, hat er manchmal schon eine halbstündige Fahrradtour hinter sich, seit einiger Zeit ist er auf diese aktive Art der Fortbewegung umgestiegen. Er schaltet seinen PC ein, schaut die eingegangenen Mails an und entscheidet, wie damit zu verfahren ist.

Anschließend wird der Postberg abgearbeitet. Sind es Akten, die vom Sächsischen Landesamt für Ausbildungsförderung zurückgeschickt wurden (dieses Amt stellt die Fachaufsicht für alle BAföG-Ämter in Sachsen dar) oder hat jemand Widerspruch eingelegt gegen einen ergangenen BAföG-Bescheid... die Briefe und Akten werden gesichtet und sortiert.

Die Sekretärin Frau Voigt ist bereits gekommen - es herrscht die Regel, dass die Tür zwischen Chef-Zimmer und Vorraum offen bleibt, so dass eine transparente Atmosphäre herrscht. Sie führt den Bürokalender und erinnert an wichtige Termine. Irgendwann zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr "wandert" Manfred Krebs ins Nachbarzimmer und trinkt Kaffee mit zwei seiner Kolleginnen. Natürlich bleiben auch hier dienstliche Fragen nicht außen vor. Ob ihm manchmal Fälle sehr nahe gehen und schlaflose Nächte bereiten? "Im Allgemeinen kann ich ganz gut abschalten, aber es kommt schon vor, dass mir früh beim Rasieren eine Idee kommt, wie ein Fall gelöst werden kann". Manfred Krebs weiß, dass es von seinen Entscheidungen (respektive denen des Landesamtes) abhängen kann, ob und wie ein junger Mensch (weiter-) studiert. Deshalb schaut sich der studierte Mathe- und Physiklehrer jeden Entscheid, der Fragen offen lässt, genau an. Denn die "normalen" Fälle landen nicht auf dem Tisch des Chefs: "Wissen Sie, ich muss nicht über jeden Umzug eines BAföG-Empfängers informiert werden. Aber komplizierte Entscheidungen besprechen die Gruppenleiter mit mir."

9.00 Uhr beginnt die Sprechzeit. Da im Juni eine "antragsarme" Zeit ist, brauchen die Studierenden nicht mit langen Wartezeiten zu rechnen. 9.30 Uhr kommt ein unangemeldeter Besucher, der vom Hauptabteilungsleiter beraten werden möchte. Er könnte auch zu einer Sachbearbeiterin gehen, aber da er so großen Wert darauf legt, informiert Manfred Krebs den jungen Mann über Möglichkeiten der Studienfinanzierung. Meistens gehen solche "Erstbesucher" ins Servicebüro, aber Manfred Krebs ist ein Freund der Diplomatie und Deeskalationsstrategie: auch wenn sich jemand beschweren möchte oder unzufrieden ist, bittet er um ein Gespräch und oft lassen sich Probleme im direkten Kontakt lösen.

Bis 11.00 Uhr kann er sich dann ungestört den vielen Akten auf seinem Tisch widmen: Da gibt es Anfragen zu Förderung über die Altersgrenze oder über die Regelstudienzeit hinaus oder es sind schwierige Entscheidungen zu treffen zum Fachrichtungswechsel nach dem 3.Semester. 11.30 Uhr kommt ein Anruf von einem Prüfungsamt - man möchte einen Studenten vorbeischicken, der Fragen zur Höchstförderungsdauer hat... ein Termin wird vereinbart. Kurz nach 12.00 Uhr bricht Manfred Krebs auf zur Mittagspause, gemeinsam mit einigen Kolleginnen macht er sich auf den Weg in die Mensa Reichenbachstraße.

12.45 Uhr: Eine Gruppenleiterin kommt ins Zimmer und hat ein Anliegen: Ein Studierender hat Widerspruch eingelegt gegen seinen BAföG-Bescheid. Jetzt besprechen Manfred Krebs und die Gruppenleiterin (wovon es sieben gibt) wie verfahren wird. Eine halbe Stunde später kommt eine weitere Gruppenleiterin und trägt ein Personalproblem vor. Fragen des Personalmanagements sind natürlich ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit von Manfred Krebs, bei 50 Beschäftigten (fast alle in Vollzeit) gibt es eine Menge zu tun: Weiterbildungen durchführen und organisieren, Vertretungsfragen klären und auch bei Neueinstellungen entscheidet der Abteilungsleiter mit. Deshalb hat er sich an diesem Tag schon Zeit genommen und die Bewerbungsunterlagen für eine Elternzeitvertretung studiert.

Die Glocke der nahe gelegenen russischen Kirche schlägt halb vier, als Manfred Krebs aufbricht zu einem Vortrag im Beruflichen Informationszentrum Dresden (BIZ) zum Thema "Wie finanziere ich mein Studium". Auch das gehört zu seinem Job: Immer wieder werden er und die Gruppenleiter in Schulen, Hochschulen und Arbeitsagenturen eingeladen, um zukünftige Studenten über ihre Ansprüche auf Ausbildungsförderung zu informieren. Auf meine Frage nach der Vorbereitungszeit lacht er und meint "Über BAföG könnte ich stundenlang reden. Schwierig wird es, wenn man mich bittet, mich auf eine viertel Stunde zu beschränken." Sagt es, nimmt den Laptop mit der Powerpoint-Präsentation mit und ist schon aus der Tür. Nicht ohne einen freundlichen Gruß für Frau Voigt und mich, versteht sich.

Anja Buch

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