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Heute Florida, morgen Colorado und übermorgen Costa Rica...

An article published in SPIEGEL-EI edition4/2004, valid from 16.02.2004 to 29.02.2004.

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Mit Beyond Borders um die halbe Welt (Teil 1)

Das Beyond Borders Programm 2004, das wieder durch die Max Kade Foundation in New York gefördert wird, hat begonnen. Gegenwärtig bereiten sich zehn Studierende aus unterschiedlichen Studienrichtungen auf ihre dreiwöchige, am 26. Februar beginnende Reise nach Tallahasse, der Hauptstadt Floridas, vor. Die Gruppe von der Florida State University besucht Dresden im Mai. Vor zwei Jahren gehörte Andrea Houdelet zum Dresdner Beyond Borders Team. Was sie seither mit dem Programm erlebte, berichtet sie in dieser und der nächsten Spiegel-Ei-Ausgabe:
?Als ich im Dezember 2001 meine Bewerbung für das Beyond Borders Programm zwischen dem Studentenwerk Dresden und dem International Center der Florida State University (FSU) in Tallahassee abgab, wusste ich nicht, wie sehr diese Bewerbung mein weiteres Leben beeinflussen würde. Der dreiwöchige Austausch im März 2002 vergingen wie im Flug, aber mir war es dennoch gelungen, einen Praktikumsplatz am International Center der FSU zu ergattern. Doch so eine Auszeit will geplant sein! Bevor ich Deutschland verlassen konnte, mussten zahlreiche Dinge erledigt werden. Ich bewarb mich um ein begehrtes Stipendium bei der Southern Scholarship Foundation. Schon wenige Wochen nach dem Einreichen zahlreicher (übersetzter !!!) Zertifikate bekam ich den Zuschlag. Über Unterkunft und Verpflegung brauchte ich mir also keine Sorgen mehr zu machen. Ein weiterer Meilenstein war das Ausfüllen der Visa-Unterlagen , das ?Interview? in der U.S. Botschaft in Berlin bis ich endlich mein Visa erhielt.
Unmittelbar nach meiner letzten Prüfung und voller Vorfreude hob ich am 9. Februar 2003 von Frankfurt/Main ab, um sechs erlebnisreiche Monate auf dem amerikanischen Kontinent zu verbringen. Trotz Jetlags fing ich direkt nach meiner Ankunft mit meinem Praktikum im International Center an. Der Praktikumsplatz war nicht nur aus dem Grund attraktiv, dass ich die dort arbeitenden Leute schon kannte, sondern weil ich nun die Möglichkeit hatte, nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als Organisator bei Beyond Borders mitzuwirken. Die FSU hat neben dem Austausch mit Dresden noch zwei weitere Partneruniversitäten in Jamaika und Costa Rica. Zu meinen sehr abwechslungsreichen Aufgaben gehörte unter anderem die Betreuung der drei Beyond Borders Gruppen aus Deutschland, Jamaika und Costa Rica, die Vorbereitung der FSU-Studenten auf ihre Reise in diese Länder, das Planen und Durchführen von Events und PR-Aktivitäten für das International Center.
Obwohl mir die Arbeit mit netten Kollegen viel Spaß machte, brauchte ich einen Ausgleich. Mindestens einmal wöchentlich arbeitete ich in der ?Tallahassee Gemeinde? mit Kindern aus ärmeren Schichten oder baute Häuser mit ?Habitat for Humanity?, eine Organisation, die auch sozial schwachen Familien durch niedrige Zinsen und den Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer ? der bekannteste ist der frühere U.S. Präsident Jimmy Carter- den Traum vom eigenen Haus ermöglicht. Ehrenamtliches Arbeiten, das sich über alle sozialen Bereiche erstreckt und tief in der amerikanischen Mentalität verankert ist, ist in den USA von großer Wichtigkeit. Ich habe nur wenige Amerikaner getroffen, die keinen Beitrag in der Gemeinde leisten. Mit solch einem breiten Engagement ließen sich auch in Deutschland einige soziale Probleme lösen.
Schon nach wenigen Wochen fand ich auch immer öfter den Weg ins Fitnessstudio, da sich eine leichte Gewichtszunahme nicht mehr verbergen ließ ... ?Fast Food? sei dank! Zu meiner Verwunderung machte es Spaß. So kam es dann auch, dass ich den Einschlag der ersten Bomben in Bagdad nicht als ?Couch Potato? zu Hause sah, sondern auf einem riesigen Fernsehbildschirm im Fitnessstudio. Der Schock stand nicht nur mir ins Gesicht geschrieben, sondern vielen FSU-Studenten. Im Allgemeinen hatte ich das Gefühl, dass die Mehrheit der Studenten gegen den Irak-Krieg war, was die zahlreichen Protestaktionen auf dem Campus bestätigten. Ich, als Deutsche, die somit zu den Kriegsgegnern zählte, wurde auch nie von Amerikanern beschimpft, sondern führte viele interessante Gespräche über das Für und Wider eines solchen Krieges. Viele solcher Diskussionen fanden z. B. im Bad mit den ?Girls? meines Scholarship Hauses statt. Alle Bewohner des Hauses erhielten ein Stipendium der Southern Scholarship Foundation, das kostenlose Unterkunft in möblierten Zwei-Bett-Zimmern und Essen beinhaltete. So ein Stipendium erlöst die Bewohner jedoch nicht vom Putzen und Kochen. Auf einem Plan wurde festgehalten, wer wann welche Aufgabe im Haus zu erledigen hat. Nicht erfüllte Aufgaben wurden mit Geldstrafen geahndet. Manchmal fühlte mich schon wie bei ?MTV Real World? oder ?Sorority Report?. Alles machten wir zusammen: Essen, sauber machen und sogar ?American Ideal? (Ponton zu ?Deutschland sucht den Superstar?) gucken.? (Fortsetzung im nächsten SPIEGEL-EI)

Andrea Houdelet

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