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Wohnheim D in Zittau - Relikt vergangener Zeiten oder preiswerte Alternative studentischen Wohnens?

An article published in SPIEGEL-EI edition9/2004, valid from 26.04.2004 to 09.05.2004.

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Bereits vor über 3000 Jahren rollten im Zittauer Land Karren und Pferdefuhrwerke zum Lückendorfer Pass nach Böhmen. Damals, in der Lausitzer Kultur, ließen sich die ersten Menschen im Zittauer Becken nieder. Aber erst im 13. Jh. kamen Bauern aus Thüringen und Franken in Kolonistenzügen ins Land und machten sich überall in kleinen Waldhufendörfern seßhaft. Auf dem fruchtbaren Schwemmland, wo Neiße und Mandau zusammenfließen, entstand ein solches Kolonistendorf. Man nannte es ?Sitavia? nach dem slawischen Wort ?zito?, was Korn oder Getreide bedeutet. Es ist die Wiege Zittaus.*
Soweit braucht man nicht zurückgehen, um die Geschichte des Wohnheim D in Zittau in der Schliebenstraße zu erforschen. Es wurde 1969 erbaut, Stein für Stein, von Zittauer Lehrlingen des Bauhandwerkes, ohne Fertigteilbeton. Das hat den unbestreitbaren Vorteil, dass die Lärmisolation gar nicht so schlecht ist, was den Bewohnern, die ihr Zimmer unmittelbar neben dem Studentenklub D-Keller haben, gefallen wird. Auch von außen sieht das große Gebäude recht passabel aus, denn die Fassade wurde Mitte der neunziger Jahre saniert. Was aber kann man sonst noch passabel nennen? Das Preis-Leistung-Verhältnis vielleicht, für 117 EUR bekommt man schon ein Einzelzimmer, das gar nicht mal so klein ist, denn früher wohnten drei Leute auf ca. dreizehn Quadratmetern. Die Zimmer lassen im ersten Moment keinen Gedanken an Gemütlichkeit aufkommen ? in unbewohntem Zustand sehen sie nicht einladend aus, und der Blick in die Gemeinschaftsduschen und ?küchen lässt das Herz nicht höher schlagen, sondern den Normalverbraucher auf dem Absatz umkehren. Wenn man aber ein bißchen handwerklich begabt ist und vielleicht hilfreiche Eltern und/oder Freunde hat, dann kann man auch aus diesen Zimmern etwas machen, denn immerhin, sie haben große Fenster, viel Licht, und mit ein bißchen Farbe (der Preis für Farbe wird auf Antrag vom Studentenwerk zurückerstattet) und ein paar persönlichen Accessoires, wie Lampen, Fotos, Gardinen sieht alles schon ganz anders aus, wie das Zimmer von Norman H., Student für Ökologie/Umweltschutz im 2. Semester) beweist. Bleiben noch die Sanitäranlagen und die Küche: pro Flur mit ca. 30 Zimmern gibt es jeweils eine Küche mit ein paar Kochplatten und einige prähistorische Toiletten und Duschkabinen... Das Studentenwerk Dresden kann aber mit den gegenwärtig vorhandenen Mitteln ohnehin nur zwei Hausmeister für alle Zittauer Wohnheime bezahlen, die auch noch die Außenflächen pflegen müssen und während der Semesterferien jeden Sommer den unsanierten Zimmern mit Farbe und Pinsel zu Leibe rücken. Für die Neuausstattung der Bäder und Duschen reicht das Geld einfach nicht.
Zumindest gibt es im Erdgeschoss gegenüber vom Studentenklub schon eine sanierte Wohneinheit mit komplett erneuerten Bad und Küche für 157,71 EUR, vielleicht wird da ja mal was frei, dann kann man abends sein Bierchen im Klub genießen und dann ins gegenüberliegende Zimmer wandern, ohne das Wohnheim zu verlassen. Auch in der Küche in der obersten Etage gibt es liebevolle Details zu entdecken: an den Küchenschränken befinden sich noch die Originalen Türen im Sechziger-Jahre-Stil (Foto). Für alle, die im D-Wohnheim sonst noch wohnen, gilt es, vor dem Betreten der Sanitäranlagen einen Blick aus dem Fenster zu werfen, entweder auf das Flüßchen Mandau zur einen Seite oder auf das Zittauer Gebirge auf der anderen Seite ? das Hausgebirge der Zittauer. ?Zwischen zerklüfteten Sandsteinfelsen und malerischen Tälern, auf mehr als 300 km Wanderwegen und idyllischen Ferienorten können Einheimische und Touristen dem grauen Alltag entfliehen...?*
Nur zwei Minuten läuft man bis zur frisch eingeweihten Mensa und wenig länger bis zur Hochschule. Die Nähe zum Campus ist unbestreitbar ein großes Plus. Waschmaschinen gibt es im benachbarten C-Wohnheim und wer eine Fernseher hat, kann Kabel-TV empfangen.

Anja Buch

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