Beyond Borders 2019
I'm starving, Did you see those mountains and cucumber-water.

Die Vorbereitungen für unseren Aufenthalt in den Staaten liefen gut, aber so richtig zu greifen war es nicht: Wir elf Leute würden gemeinsam nach Amerika fahren, einem Kontinent, auf dem viele von uns noch nie waren und das mit einer Truppe von Menschen, die komplett unterschiedliche Ansichten von Reisen, Urlaub und Interessen haben. Während wir über unsere Ziele redeten, wussten wir auch noch nicht viel über das Programm, das wir an der Florida States University erleben würden.

Das Abenteuer begann am Dresdner Flughafen, wo die Göttin der Reise uns zuwinkte. Damals wussten wir noch nicht, dass wir einen Tag Verspätung haben würden, da eine Sturmwand die Abflugtermine so veränderte, dass wir unseren ersten Anschlussflug von Amsterdam nach Atlanta nicht mehr rechtzeitig erreichen würden. Nach einer spontanen Nacht im von der Fluggesellschaft organisierten Hotel ging es aber dann doch nach Amerika und letztlich Tallahassee, wo wir von unseren amerikanischen Austauschpartnern abgeholt wurden. Es war mitten in der Nacht, der Flughafen leer und trotzdem standen dort unsere Leute, glücklich und begeistert uns zu sehen. Diese Offenheit der Studentinnen der FSU sollte uns allen langfristig im Gedächtnis bleiben, wir wurden immer wieder Zeugen ihrer Gastfreundschaft und der floridianischen Kultur.

Der größte Kulturschock könnte das Essen gewesen sein. Machten wir uns am Anfang noch über frittierte Häppchen in jeglicher Form her und aßen Waffeln in nie dagewesenem Ausmaß, war spätestens nach dem dritten Tag der Ruf nach „normalem“ Wasser laut. Zwischen dem Chlorwasser aus dem Wasserhahn und dem Mensawasser, welchem immer Gurken, Früchte oder ähnliches beigesetzt waren, schien es nichts zu geben. Unser Held Alex fand den gut getarnten Sprudel-Schalter am vierten Tag und brachte uns somit eine Menge Lebensfreude in unsere nachfüllbaren Wasserflaschen zurück. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Typ sein würde, der Gurkenwasser trinkt“ war einer der am besten treffendsten Sätze, die in diesem Umfeld fielen. Auf die Nachfrage der sehr fürsorglichen amerikanischen Leitung, ob wir zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit bereits wieder Hunger hätten, gewöhnten wir uns ein ironisches „I'm starving“ an und müssen so den Eindruck geweckt haben, dass wir den gesamten Tag essen könnten.

Zwei Alligatoren im Wasser am Ufer eines Gewässers.

Als Gruppe wuchsen wir intern weiter zusammen, während wir durch Hochseilgärten hangelten, neben Alligatoren schipperten und die Wäsche meisterten, aber auch die Bezugs-Systeme der Einzelpersonen erweiterten sich. Waren am Anfang Vögel eingeteilt als „spannend“ und „nicht spannend“, gab es nach einiger Zeit noch „schön“ und „groß“, was zur allgemeinen Erheiterung beitrug, genauso wie intensive Gespräche über die Baum-Kultur. Viele unserer Leute hatten Geburtstag, während wir in Tallahassee waren, weswegen mancher sogar nach alter FSU-Tradition in den Brunnen geworfen wurde, um so seine Volljährigkeit zu feiern. Das war aber nicht die einzige amerikanische Gepflogenheit, die wir lernten. Auch Line-Dancing, Baseball und die studentisch organisierten Clubs wurden uns vorgestellt und beigebracht. Außerdem wurde uns beigebracht, dass das, was wir als Hügel bezeichnen würden, bei den Floridianern als Berg gilt und freuten uns schon auf die Tour mit den Amerikanern durch die Gebirge im Dresdner Umfeld. Natürlich boten wir auch den Amerikanern Auskunft über Deutschland und unsere Kultur. Wir lachten herzlich bei der Nachfrage, ob Deutsche warmes Bier trinken würden und klärten auch auf, dass Deutsche keinen übermäßigen Ananaskonsum hätten. Die Meinungen darüber, ob Ananas auf Pizza gehört, unterschieden sich aber stark.

Diverse Unterschiede zwischen unserer kleinen Truppe und den Amis konnten nicht verhindern, dass sich Freundschaften bildeten. Einige tiefgreifende Gespräche wurden geführt, Weltansichten ausgetauscht und gemeinsame Abenteuer durchstanden. Bereits jetzt freuen wir uns enorm auf den Besuch von ihnen und planen, wie wir für sie den Aufenthalt in Deutschland so spannend gestalten können, wie er es für uns in Amerika war.

Der Abschied von den Leuten aus Tallahassee war ein wenig traurig, aber vor allem wunderschön gestaltet. Jeder machte sich schick, die Abendkleider flossen über das Parkett und bei so manchem eine kleine Träne. Während der Teilnahmebestätigungs-Vergabe wurden die Personen einzeln geehrt, Applaus brannte an das Podium und so manch einer ließ es sich nicht entgehen dieses Publikum zu unterhalten, wie es in diesem Raum vielleicht schon seit Jahren nicht mehr wurde. Besonders dankbar waren wir dafür, dass extra für uns auf Plastikbesteck verzichtet und stattdessen zu metallenem gegriffen wurde. Wir fühlten uns während unserer zwei Wochen an der Universität wie Nachhaltigkeits-Aufklärer und entzündeten in so manchem Ami eine Achtsamkeit für Plastik, die teils so weit ging, dass einige sich sogar wiederbenutzbare Strohhalme kauften und bei ihrem Coffee-To-Go den Plastikdeckel wegließen.

Aber halt: Was war noch mal mit dem Independent Travel, den wir hauptsächlich in Deutschland geplant haben? Der war ein voller Erfolg. Wir fuhren einmal durch ganz Florida, übernachteten in fancy Häusern, besuchten National Parks, das Kennedy Space Center, Miami, Orlando (und damit die Freizeitparks), die Everglades, die Florida Keys, aber auch St. Petersburg und gingen an Strände und mit Kajaks auf Flüsse. Es gab so viel zu erleben, dass wir unsere Gruppe so manches Mal teilten, so dass jede und jeder das machen konnte, was der Person am wichtigsten erschien. Wir hatten eine fantastische Gesprächskultur, so dass jeder Wunsch in Erfüllung gebracht werden konnte und sind bis heute sehr glücklich darüber, wie wir miteinander interagierten. Die größten Unterschiede und Streitereien waren darüber, welche Musik während der Fahrt gehört werden soll - das ist schon sehr gut, finde ich!

Zehn Personen stehen und sitzen in zwei Reihen an einer Klippe. Im Hintergrund ist das Meer zu sehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir enorm dankbar für diese Erfahrungen und Reise sind. Wir haben fantastische Menschen kennengelernt, die Landschaft und Kultur erfahren dürfen und mehr über die Geschichte und Gegenwart Amerikas gelernt, als man durch reines Lesen je begreifen könnte. Die roten Cardinals, trägen Alligatoren und putzigen Manatees werden genauso in unseren Erinnerungen bleiben, wie die schier unendliche Weite des Landes, die riesigen Hochhäuser und das Wissen, dass in jeder Hütte ein drei Meter großer Schwarzbär stehen könnte - oder eben nicht.

Damian Krüger, i. A. der Beyond Borders Gruppe 2019