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Zehn Monate als Tutorin in Dresden – Drážďany (Teil 2)

Ein Artikel aus der SPIEGEL-EI-Ausgabe 6/2005, gültig vom 13.03.2005 bis 26.03.2005.

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Mein Name ist Petra Zachová, ich bin 25 Jahre alt und komme aus einem kleinen Dorf in Tschechien. Im Oktober bin ich nach Dresden gekommen, um hier als Tutorin „zum interkulturellen Austausch beizutragen und ein wirklichkeitsnahes Bild des Heimatlandes zu vermitteln“, wie es in der Zielsetzung des Tutorenprogramms der Robert-Bosch-Stiftung steht, das von dem Studentenwerk mittragen wird. Wir sind zurzeit vier Tutoren in Dresden und unsere Aufgabe ist es, an den Hochschulen Sprachkurse und landeskundliche Konversation zu geben und die Kultur unseres Landes zu vermitteln. Vereinfacht gesagt versuche ich zu zeigen, dass Tschechien nicht nur Bier, Knödel und Prag ist.

Im Wintersemester habe ich tschechisch an der HTW und im Sprachenzentrum der TU unterrichtet. Es hat mich überrascht, wie groß das Interesse an der tschechischen Sprache ist. Für die Anfängerkurse haben sich viele Leute angemeldet. Die Gründe waren unterschiedlich – viele Studenten haben tschechische Freunde und möchten deswegen auf tschechisch mehr als „ahoj“ kennen, oder sie sind oft in Tschechien zum Einkaufen und um einen Ausflug zu machen und würden gerne mal das gute tschechische „pivo“ selber bestellen, oder sie wollen einfach eine slawische Sprache lernen. Und ehrlich gesagt, Tschechisch ist keine leichte Sprache – immerhin haben wir sieben Fälle und „das komische ř“, wie es neulich ein Student genannt hat. Deshalb freut mich sehr, dass es viele trotzdem gewagt haben und Tschechisch lernen.

Ich bemühe mich, den Unterricht kommunikativ zu gestalten, so dass man fähig ist, schon in der zweiten Stunde ein kleines Gespräch zu führen. Darüber hinaus versuche ich den Studenten Unterschiede in den Mundarten beizubringen. Es schadet nicht, wenn man weiß, dass man in Tschechien keine Katze im Sack kauft sondern den Hasen, oder, dass die Tschechen nicht munter wie ein Fisch sind, sondern gesund wie ein Fisch, dass die tschechische Mutter nicht vom Storch ins Bein gebissen wird, wenn sie ein Kind bekommen soll, sondern dass der Storch einfach nur vorbeikommt und das Kind ins Bett legt, und dass man den Tschechen keine Flausen in den Kopf setzen kann, sondern höchstens einen Käfer.

Ein wichtiger Aspekt des Tutorenprogramms ist der interkulturelle Austausch. Dass ich etwas mitbringe und etwas mitnehme – seien es die Erfahrungen, das Wissen, Freundschaften, abgebaute Vorurteile usw. Das Ziel dabei ist, Deutschland und deutsche Kultur kennen zu lernen und zu sehen, was wir gemeinsam haben und wie es eigentlich mit den Vorurteilen ist. Das „neue“ Bild von Deutschland vermittelt man dann zu Hause weiter.

Ich muss zugeben, dass ich aus meiner Perspektive keinen großen Kulturschock erlebe. Es ist immerhin ein Nachbarland, und die Unterschiede in Kultur und Lebensweise sind nicht allzu groß. Es gibt aber natürlich ein paar Verschiedenheiten. Zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass hier vieles organisierter und strukturierter läuft. Und dass alles durchgeplant ist – ohne Terminkalender kann man einfach fast nichts tun. Ich mag das Leben hier und finde die Deutschen sehr angenehm und höflich. Vor allem Verkäuferinnen sind meistens freundlich und geduldig. Wenn man zum Beispiel einkaufen geht und ein Kilo „Mähren“ möchte, obwohl man eigentlich „Möhren“ will, fragt die Verkäuferin mit einem Lächeln 5-mal geduldig nach, was es sein soll und regt sich nicht auf.

Ich bin sehr froh, dass ich in Dresden bin. Es ist eine sehr schöne Stadt mit viel Kultur und einer wunderbaren Umgebung. Es gibt schöne Kinos, Theater, gute Kneipen, guten sächsischen Wein, viele deutsch-tschechischen Veranstaltungen und ganz viele Möglichkeiten, was man hier als Tutor tun kann. Und der sächsische Dialekt gefällt mir auch, obwohl es am Anfang schon schwer war zu verstehen, was gesagt wurde. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran und jetzt kann ich, wenn ich gerade nicht „figgs und färrdch“ bin „ä bissl forrschdehn“ und finde die Sprache „scheen“. Ich bin hier sehr zufrieden und freue mich auf das zweite Semester in Dresden.

Petra Zachová

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