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Ausgerechnet im Jubiläumsjahr - Nach 20 Jahren ist Schluss mit der Umzugsbeihilfe

Ein Artikel aus der SPIEGEL-EI-Ausgabe 3/2020, gültig vom 06.07.2020 bis 05.08.2020.

Wie andere Städte auch, verfolgte die Stadt Dresden um die Jahrtausendwende das Ziel, möglichst viele Studenten zu motivieren, ihren Hauptwohnsitz an ihren Studienort und somit nach Dresden zu verlegen. Neben der Stabilisierung der Einwohnerzahl versprach man sich davon auch höhere städtische Einnahmen, denn den jährlichen Schlüsselzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz liegt die Einwohnerzahl jeweils per 31. Dezember zugrunde. Einen Teil dieser Schlüsselzuweisung wollte man als Anreiz an die Studenten weitergeben, die sich mit Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt anmeldeten und somit „Dresdner“ wurden.

Foto: Ein Student füllt einen Antrag auf Umzugsbeihilfe im Foyer des Studentenwerks Dresen aus.
Sie war immer sehr beliebt als willkommene „Finanzspritze“ – die Umzugsbeihilfe. Nach 20 Jahren ist nun Schluss.. © SWDD

Unsere technischen und personellen Voraussetzungen prädestinierten das Studentenwerk, diese Verwaltungsaufgabe zu übernehmen. In den ersten drei Monaten eines jeden Jahres konnte nun jeder Student, der sich zum Zwecke seines Studiums im Laufe des Vorjahres erstmals mit Hauptwohnsitz in Dresden angemeldet hatte, einen Antrag auf Umzugsbeihilfe stellen. Mit den erforderlichen Unterlagen sprach man persönlich im Geschäftsbereich Wohnen vor und hatte schon 14 Tage später das Geld auf dem Konto.

Mit der Aussicht auf immerhin 500 DM machten im Startjahr 2001 schon über 2.600 Studenten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Der finanzielle Anreiz stimulierte das studentische Anmeldeverhalten deutlich und anhaltend, auch wenn der Betrag ab 2005 auf nur noch 150 Euro reduziert wurde.

Fast schon traditionell startete nun das Jahr im Geschäftsbereich Wohnen mit dem „Gewusel“ von 4.000 bis 5.000 Antragstellern auf dem Gang der Verwaltung. Das war zwar viel Arbeit, aber auch eine sehr schöne Aufgabe, denn letztendlich stellte man ja eine kleine Finanzspritze in Aussicht.

Im Spitzenjahr 2006 waren es immerhin 5.283 Antragsteller. Auf das Jahr 2006 fiel aber auch die Einführung der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in Dresden. Für jeden Nebenwohnsitz in Dresden waren fortan monatlich 10 % der Nettokaltmiete als Steuer zu entrichten, auch durch Studenten. Es ist anzunehmen, dass der Wunsch, diese Steuerlast dauerhaft zu vermeiden, weitaus stärker das Anmeldeverhalten bis zum Hauptwohnsitz beeinflusst hat als die Zahlung von einmalig 150 Euro. Die Umzugsbeihilfe verblasste damit eher zum „Mitnahme-Effekt“.

Letztendlich entschloss sich die Landeshauptstadt im Jahr 2019, die Zahlung der Umzugsbeihilfe einzustellen. Hätte der Stadtrat noch innerhalb des Jahres 2019 einen entsprechenden Beschluss gefasst, wäre wohl 2020 keine Umzugsbeihilfe mehr gezahlt worden. Allerdings fand die entsprechende Beschlussvorlage erst Ende Januar 2020 ihren Weg in den Stadtrat. Zuvor wurde das Studentenwerk angewiesen, keine Anträge für das Jahr 2019 anzunehmen und es wurde auch avisiert, dass durch uns keine Bearbeitung mehr erfolgen würde. Vom Stadtrat wurde die Vorlage wieder zurück in den zuständigen Ausschuss verwiesen, um überarbeitet Anfang März zur nächsten Stadtratssitzung vorgelegt werden zu können.

Zwischenzeitlich gestaltete der Stura der TU Dresden Dresden einen eigenen Antrag auf Umzugsbeihilfe und rief dazu auf, diesen hilfsweise beim Stura abzugeben. 1.700 Studenten folgen diesem Aufruf; die dazu eingegangenen Anträge wurden dann der Stadt zugestellt. Am 5. März entschied der Stadtrat, dass die Zahlung der Umzugsbeihilfe letztmalig für das Jahr 2019 erfolgen soll. Über das Wie und Wann zu entscheiden, war dann wieder Aufgabe der verantwortlichen Stellen der Stadtverwaltung. Von dort hatten wir als Studentenwerk nach wie vor die Anweisung, keine Anträge anzunehmen.

Erst am 1. April – mitten im Corona-Lockdown und nach Ablauf der üblichen Antragsfrist – erhielt das Studentenwerk Dresden Kenntnis über das weitere Vorgehen. Demnach wurde der Antragszeitraum bis zum 15. Mai 2020 verlängert und die Antragstellung sollte ausschließlich schriftlich beim Studentenwerk erfolgen. Auch die 1.700 unbearbeiteten Stura-Anträge wurden uns in dem Zusammenhang übergeben. Bis 15. Mai gingen letztendlich knapp 3.000 Anträge auf Umzugsbeihilfe bei uns ein.

Statt neuer Mietverträge, die wegen Corona und Online-Semester nicht zustande kamen, bearbeiteten wir jetzt im Akkord Anträge auf Umzugsbeihilfe. Über 360 Antragsteller kontaktierten wir per E-Mail, Telefon oder Brief, da Nachweise fehlten und die Anträge somit unvollständig waren. Außerdem führten die Corona-Allgemeinverfügungen dazu, dass Antragsteller keinen Zugriff auf ihre Meldebestätigung in Dresden hatten. In diesen Fällen wurde uns auf Nachfrage der Meldestatus durch die Stadt übermittelt.

Die Auszahlung der Umzugsbeihilfe erfolgte schrittweise, erstmals am 29. April und letztmalig am 30. Juni 2020. Nach 20 Jahren wird es nun keine Umzugsbeihilfe mehr geben. Die Jubiläumsausgabe war leider etwas holprig; jemand sprach berechtigterweise von einer „informellen Hängepartie“. Aber immerhin konnten in den letzten 20 Jahren 80.200 Studenten ihr Studium mit einem netten finanziellen Zuschuss beginnen.

Anette Effner

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