Demokratie war gestern - das neue Hochschulgesetz

Ein Artikel aus der SPIEGEL-EI-Ausgabe 20/2007, gültig vom 12.11.2007 bis 25.11.2007.

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Das Studentenwerk gibt dem TU-STURA die Möglichkeit, nachfolgendes Positionspapier als Ergebnis der Arbeit aller in der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften organisierten StuRä, aber ganz besonders des HTW-StuRa, hier im Spiegel-Ei zu veröffentlichen. (2. Teil)

Alle Macht dem Rektor
Eine Hochschule funktioniert nur dann gut, wenn alle vertretenen Gruppen, also Dozenten, Mitarbeiter, Rektoren, Senatoren und Studenten, in die Entscheidungen mit einbezogen werden und die Zukunft gemeinsam gestalten. Leider sieht das unsere Landesregierung anders. Der Rektor soll weit reichende Kompetenzen bekommen. Er kann z.B. die Gebührenordnung beschließen oder ganze Studiengänge im Alleingang absetzen. Darüber hinaus entwirft das Rektorat den Wirtschaftsplan und Jahresabschluss und legt diese dem Hochschulrat zur Absegnung vor. Dass dieser nicht gerade vor Kompetenz strotzt, wissen wir bereits. Das macht aber nichts, denn wenn dem Hochschulrat der Rektor nicht passt, wird er einfach nicht wieder gewählt.

Gebühren ja, Studiengebühren nein
Da wird im neuen Gesetz extra ein Paragraph geschaffen, für etwas, das es in Sachsen eigentlich gar nicht gibt: Gebühren fürs Studium. Es soll also in jeder Hochschule eine so genannte Gebührenordnung geben. Aber was da wiederum genau drinstehen soll, kann uns auch keiner sagen, schließlich steht im Gesetz, dass es keine Studiengebühren geben wird. Mal abgesehen von den Gebühren fürs Masterstudium, fürs Fernstudium, fürs Zweitstudium, für Leistungen des Studienkollegs, für Prüfungen von Kenntnissen, die extern erworben wurden und für die Unterrichtung besonders begabter Kinder in Nachwuchsförderklassen der Kunsthochschulen. Fantastisch, in Sachsen reicht es also nicht - wie in anderen Bundesländern - reich oder begabt zu sein, hier muss man schon Geld und Talent mitbringen.

Studienkommissionen
Da wird uns doch tatsächlich was geschenkt: mächtigere Studienkommissionen. Die regeln, alles was auf Studiengangebene passiert, also beispielsweise Änderungen der Studienordnung und Evaluierung von Lehrveranstaltungen. Außerdem beraten sie den Dekan. Und laut dem neuen Gesetz hat die Studienkommission ein Initiativrecht im Fakultätsrat, ja richtig gelesen, im Fakultätsrat, genau der, der auch den Dekan berät. Klingt verwirrend, ist aber toll. Man rät dem Dekan etwas, kann dann noch mitbestimmen, was dem Dekan geraten werden soll, und der macht dann doch, was er will. Man nennt das dann Etwas im Benehmen mit dem Fakultätsrat entscheiden.

Hochschulsport
Vieles ist so aufwändig und muss verbessert werden, dachten sich die Verantwortlichen im Ministerium, und so kam es, dass so etwas Unwichtiges wie der Hochschulsport als Zentrale Einrichtung der Hochschule einfach aus dem Gesetz gestrichen wurde. Fragt man nach dem Grund dafür, bekommt man die Antwort: Stärkung der Autonomie. Was das für die einzelnen Hochschulen bedeutet, kann man sich unschwer ausmalen: Wird es weiterhin an allen Hochschulen ein vielfältiges Angebot sportlicher Aktivitäten geben? Wird dann nur noch Fußball gespielt, weil eben gerade kein Volleyballnetz da ist? Unser Hochschulsport ist eh schon total unterfinanziert und die Turnhallen überlastet. In Zeiten, wo nicht nur unsere Kinder immer fetter und fauler werden, ist das ein Schritt in die zweifellos richtige Richtung - schlechte Publicity ist eben bekanntlich gute Publicity. Joggen an der Fernverkehrsstraße als einziger Ausweg.

Personalautonomie - oder die Frage, was hat die TU Dresden, was andere nicht haben?
Da kommen Bekenntnisse aus Sachsens Hochschulen, also von den Leitungen der Hochschulen selbstverständlich, in denen es heißt, dass sie Personalautonomie wollen. Aber was bedeutet das? Nun, bisher sind alle Professoren und Mitarbeiter beim Staat unter Vertrag. Das würde sich dann ändern: Die Hochschule wird zum Arbeitgeber. Klingt untragisch, aber spricht man mit Gewerkschaftsvertretern, so erfährt man, dass das ungeahnte Konsequenzen haben kann. Klar, die Gehälter können sich ändern. Wenn nach Leistung bezahlt wird, bekommen "die Guten" mehr Geld. Und woher kommt das Geld? Das weiß man noch nicht so genau, aber das gibt sich im Laufe der Zeit, wenn die Anzahl der Mitarbeiter abnimmt und die Kassen sich langsam füllen. Stichwort "betriebsbedingte Kündigungen": So was hat's noch nie an unseren Hochschulen gegeben. Und dass die dann möglich sind, befürchtet auch niemand, außer die Mitarbeiter halt. Nun könnte ein Student sagen: "Was juckt es mich?" Gegenfrage: Was passiert, wenn weniger Leute in der Uni arbeiten, aber die Studierendenzahlen gleich bleiben? Wenn momentan in jedem Praktikum und in jedem Seminar noch ein Mitarbeiter der Uni sitzt, um uns zu betreuen, werden in Zukunft da vielleicht nur noch HIWIs aus höheren Semestern sein. Die Labore werden dann auch von Studierenden aus den höheren Semestern betreut.

Jedenfalls kann diese Personalautonomie an der TU Dresden drei Jahre lang getestet werden. Eine faszinierende Art, Gesetze zu machen, man probiert's einfach mal aus und gibt dem Ganzen einen positiv klingenden, zukunftsweisenden Namen: "Modellversuch". Wenn dieser Versuch fruchtet, werden andere Hochschulen auch die Möglichkeit der Personalautonomie bekommen. Zynisch: Als nächstes kommen dann bestimmt an der Uni Leipzig für drei Jahre Studiengebühren - als Modellversuch selbstverständlich. Und wenn man danach feststellt, dass sich tatsächlich mit Studiengebühren Haushaltslöcher super unauffällig indirekt stopfen lassen, kann man sie landesweit einführen.

Evaluation der Leere
Evaluationen? Das sind die Fragebögen die ihr jedes Jahr in euren Vorlesungen und Seminaren ausfüllen dürft und deren Auswerter dann feststellen, dass sich doch eigentlich nicht wirklich viel ändert. Nun, das ändert sich, ganz im Sinne eines neuen Gesetzes, jetzt nicht. Eine uralte Forderung der Studierendenvertretungen nach Veröffentlichung dieser Bewertungen - damit man sich eben vor der Vorlesung ein Bild über Lehrqualität und Professor machen kann - ist weiterhin nicht aufgenommen. Aber: Sollte sich ein Prof über mehrere Jahre als Niete herausstellen und nicht zufällig verbeamtet sein, kann der Rektor zumindest ein wenig an seiner Gehaltsschraube drehen. Spürbare Konsequenzen wegen Inkompetenz wie in anderen Institutionen der Gesellschaft gibt es weiterhin nicht.

Der Studentenrat
Eine gute Nachricht gibt's: beim StuRa bleibt alles beim Alten, wir kümmern uns weiterhin um eure Probleme, organisieren Parties für euch und unterstützen Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekte der Studierenden. Wir dürfen auch weiterhin eure Interessen vertreten, dürfen ein offenes Ohr für eure Wünsche und Probleme haben, dürfen weiterrebellieren, dürfen weiter von der Regierung ignoriert werden und dürfen weiter auf Verständnis, aber keine Unterstützung von den Verantwortlichen hoffen.

In diesem Sinne, wir sehen uns auf der Wiese beim Landtag!

Informieren und mitmachen:
www.stura.htw-dresden.de/blog

Unsere Homepages:
www.kssnet.de
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