Vom Arbeitstag eines Hausmeisters

Ein Artikel aus der SPIEGEL-EI-Ausgabe 12/2008, gültig vom 09.06.2008 bis 22.06.2008.

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Matthias Lietzmann, Hausmeister in zwei Wohnheimen in Görlitz, berichtet von einem ganz normalen Arbeitstag: Es ist früh am Morgen. Das Wetter entscheidet sich gerade, ob es Sonne oder Regen gibt. Ich nehme die erste Sichtkontrolle am Wohnheim Vogtshof in Görlitz vor.

Keine Farbschmierereien an den Außenwänden und nur die üblichen Verunreinigungen wie Zigarettenkippen und leere Bierflaschen im Innenhof - deutliche Spuren eines nächtlichen Gelages. Mit Schaufel und Besen wird dem Schmutz zu Leibe gerückt. Dabei gibt es die ersten Begegnungen mit einem der Mieter. Ein freundliches "Guten Morgen" lässt die Sonne gleich scheinen und hebt die Stimmung. Andere gehen grußlos vorbei. Vielleicht hatten sie eine zu kurze Nacht...

Anschließend geht es zum Rundgang ins Wohnheim. Sechs Aufgänge á vier Etagen - ein guter Morgensport. Da und dort gibt es ein wenig Schmutz zu beräumen, und an einigen Stellen sind Lampen ausgefallen. Manche Begegnung mit den Bewohnern beginnt mit den Worten: "Gut, dass ich Sie treffe. Bei mir im Zimmer ist der Stuhl ganz wacklig, oder im Bad läuft das Wasser in der Dusche nicht ab." Ich zücke Stift und Zettel, notiere Ort und Zimmernummer und verspreche baldige Regulierung.

Nach der Begehung schließt sich eine Sprechstunde an, bei der noch die eine oder andere Reparatur hinzukommt. Vom Frühstück gestärkt, geht es in das zweite Wohnheim in Görlitz, den Hirschwinkel. Mitten im Kontrollrundgang erreicht mich ein Anruf auf dem Diensthandy. Am gebrochenen Deutsch in der Ansprache erkenne ich eine italienische Studentin. In unverwechselbarer Leidenschaft erklärt sie mir, dass sie sich aus der Wohnung im Vogtshof ausgesperrt hat. Der Schlüssel ist im Zimmer, sie war kurz draußen, die Tür fiel zu und keiner drinnen, der öffnen könnte. Ich bedeute ihr, dass ich in etwa einer halben Stunde wieder da bin und sie einlasse. Darauf erwidert sie, dass auf dem Herd in ihrer Küche eine Pfanne mit Eiern schmort. Ich rufe noch: "Bin sofort bei Ihnen!" und renne los. Nur wenige Augenblicke später bin ich da. Die junge Dame aus Italien steht - zerzauste Haare, Morgenmantel und barfuss - auf dem Flur und lächelt. Hastig schließe ich auf und erblicke erste übelriechende Rauchfahnen. Dampfend und mit verkohltem Inhalt steht die Pfanne auf dem Herd. Gottlob sieht alles schlimmer aus, als es ist. Unter fließendem Wasser und mit ordentlichem Durchzug ist der Schaden schnell behoben. Nach dreimaliger Entschuldigungen fragt Sie mich, ob ich ein Glas Wein trinken wolle. Chianti natürlich. Jetzt muss ich auch lachen und sage ihr, sonst gern, aber es ist noch zu früh am Tage. Und der Rundgang geht weiter.

Anschließend geht es an die Reparaturen im Hause. Die Verstopfung einer Küchenspüle erweist sich als besonders hartnäckig. Aber letztlich führt auch hier Beharrlichkeit zum guten, wenn auch übelriechendem Ende. Ich "belehre" die anwesenden Mieter noch darüber, dass Fett, Tee, Kaffeesatz und Nudeln nicht in den Abfluss gehören. Wie nicht anders erwartet, will es keiner der Anwesenden gewesen sein. Danach erscheint - wie immer pünktlich - der beauftragte Kühlschrankmonteur zu einer Reparatur.

Nach der Mittagspause geht es an die Außenanlagen. Das Arbeiten vor dem Haus ist die beste Sprechstunde, und so werde ich noch mit so manchem Auftrag und auch einigen Anfragen von Touristen über das Wohnheim bedacht. Nachdem der Müllplatz aufgeräumt und die Container sortiert sind, neigt sich der Arbeitstag seinem Ende. Die Geschichte mit der Italienerin wird wohl auch zu Haus für Heiterkeit sorgen. Und morgen - auf ein Neues.

Matthias Lietzman

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