Wohnheim TÜV: St. Petersburger-Straße 21, 25, 29

Ein Artikel aus der SPIEGEL-EI-Ausgabe 12/2004, gültig vom 07.06.2004 bis 20.06.2004.

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Wohl dem Studenten, der in einem der drei Wohnheime auf der St. Petersburger Straße wohnt - und einen Nebenjob hat. Denn es locken die Verführungen des irdischen Daseins. Der UFA-Kristall-Palast mit acht Sälen und über 2.500 Plätzen befindet sich in Sichtweite, daneben lädt das Rundkino zur Vorstellung. Karstadt, Pizza-Hut, H & M und Haus des Buches sind auch nicht weit, da muss man schon mit dem Fahrrad in die Mensa fahren, um wenigstens fürs Essen nicht so viele Euros auszugeben. Dafür braucht man aber nur zehn Minuten, wie mir in der Nr. 29 - dem ersten der drei Hochhäuser - Mareen bestätigt, Studentin im 4. Semester Wirtschaftsingenieurwesen.
Zur Neustadt ist es ungefähr genauso weit, man wohnt sehr zentral auf der St. Petersburger. Wer zu faul ist zum Fahrrad fahren, kann auf drei Straßenbahnlinien zurückgreifen, zur Haltestelle läuft man zwei Minuten. Die negative Seite des sehr zentralen Wohnens ist der Lärm, der Tag und Nacht durch die Innenstadt brandet. Bei geschlossenem Fenster bzw. nach hinten raus ist der Geräuschpegel erheblich abgemildert.
Wenn man auf der Dachterrasse steht, in einer von drei Wohngemeinschaften, die hier penthouse-artig untergebracht sind, möchte man wegen des schönen Ausblicks glauben, dass man auf dem Rathausturm steht. André, Maschinenbaustudent im 6. Semester, wohnt seit Oktober im Zweibett- zimmer und hat auch nicht vor, umzuziehen, denn er findet den Mietpreis angemessen und den Komfort ausreichend. Es gibt in jedem Wohnheim eine Dachwohnung mit jeweils zwei Zweibettzimmern zu 139 ? , jeweils mit Dachterrasse, vier Leute teilen sich Bad und Küche, sonst existieren ausschließlich Einbettzimmer zu 173 ?, hier teilen sich jeweils zwei Studenten ein Bad und acht eine (große) Küche.
Die Reinigung der Hausflure und des Foyers erfolgt dreimal pro Woche durch eine Firma, in den Wohneinheiten sind die Studenten natürlich selbst zuständig für die Sauberkeit ihrer Zimmer und Flure, da herrschen unterschiedliche Zustände, je nach Verhältnis von Demokratie (?wir stimmen erst mal ab, wer dran ist?) und Ordnungsbedürfnis.
Die Umfrage zur Wohnzufriedenheit, die vom Studentenwerk Dresden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Psychologie der TU Dresden im Sommer 2002 durchgeführt wurde, spricht auch eine deutliche Sprache: Zwischen 40 und 46 % der jetzigen Bewohner wollen bis zum Ende ihres Studiums in der St. Petersburger wohnen bleiben, die Wohnheimzimmer wurden auf einer Zufriedenheitsskala von 1,0 bis 5,0 mit 1 bis 2 bewertet und die Bewertung ?Nähe zur Hochschule? liegt ebenfalls in diesem Bereich, nur die Zimmergröße (mit 11 m² relativ klein) wurde mit 2 ? 3,6 bewertet.
Die drei Hochhäuser können sich nach der Sanierung (zw. 1999 und 2001, jedes Jahr ein Haus) auch wirklich sehen lassen. Durchbrochen von orangefarbenen bzw. roten Fensterrahmen dominieren die Materialien Beton und Glas, an der Seite ranken Grünpflanzen die Fassade empor, und das Foyer mit den großen Fenstern und den bunten Sitzmöbeln wirkt sehr einladend.
Viele fragen sich, warum diese drei Hochhäuser unter Denkmalschutz stehen.
?Es handelt sich bei Studentenhäusern einschließlich ihrer flachen Anbauten um die ersten Großplatten- bauten in Dresden. Die zehngeschossigen Hochhäuser bilden eine markante Dreiergruppe auf der Ostseite der St. Petersburger Straße. Ihre besondere städtebauliche Wirkung beruht auf der gleichmäßigen Ausrichtung aller Wohnheime, die aus der augenscheinlichen Perspektive des Straßenraumes eine klar gestaffelte Einheit ergeben. ...Besondere Akzente setzen die Dachterrassen mit einem leichten Flugdach. ...Darüber hinaus dokumentieren die hoch rechteckigen Solitärbauten auf exemplarische Weise die vom V. Parteitag der SED 1958 geforderte Industrialisierung, die sich in der Folgezeit nachhaltig auf die Gestaltung des Wohnungsbaues in der DDR auswirken sollte. ...Somit besteht an ihrem Erhalt ein öffentliches Interesse.? *

Die drei Studentenwohnheime an der St. Petersburger Straße stellen eine gelungene Synthese zwischen den Erfordernissen des Denkmalschutzes, dem Bewahren und Weiterentwickeln der typischen Plattenbauweise, und dem Hinzufügen neuer gestalterischer Elemente dar. Sie wurden durch die Verleihung zweier Preise, des Erlweinpreises der Stadt Dresden an die Architekten- gemeinschaft Zimmermann und des Bauherrenpreises an das Studentenwerk entsprechend gewürdigt. Die Preise wurden insbesondere für das erste fertig gestellte Haus, die St. Petersburger Straße 25, verliehen.*

Studenten der Wasserwirtschaft an der TU Dresden gaben Anfang der 80er Jahre dem Studentenclub Aquarium seinen Namen. Untergebracht unter dem Dach des Hauses Nr. 21 war er vor allem für seine Dachterrasse bekannt. Bedingt durch die Sanierung der Wohnheime musste der Studentenclub in die mit erheblichen Aufwand umgebauten Kellerräume umziehen, und mit dem Umzug erfolgte auch ein Imagewandel: von der Bierkneipe zur anspruchsvollen Bar ? der einzige Dresdner Studentenclub mit Bedienung! Wer möchte, kann die Atmosphäre im Club z. B. am 10. Juni beim Konzert mit den Bands ?Planet 74? und ?Palmström? testen oder sich im Internet unter www.club-aquarium.de informieren.
Für interessierte Leser ist es auch möglich, in der Abteilung Marketing/Kultur des Studentenwerks die Broschüre ?Studentenwohnheime St. Petersburger Straße? zu erhalten.

Anja Buch

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