„Soraborum saluti!“ Sprachpflege im Wohnheim

An article published in SPIEGEL-EI edition9/2013, valid from 25.11.2013 to 05.01.2014.

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In den Wohnheimen des Studentenwerks Dresden wohnen über 6.200 Studenten. Fast ein Drittel davon kommt aus dem Ausland. Vielfalt ist Programm. Traditionspflege gibt es auch. Eine Gruppe von ca. 10 Studenten im Wohnheim Zellescher Weg sind keine Ausländer, dennoch sprechen sie eine „Fremdsprache“ – Sorbisch.¹

Sorbische Studierende im Wohnheim
Jakub R. und seine Mitbewohner studieren in Dresden und pflegen die sorbischen Traditionen.

Sorbische WG mit langer Tradition

Schon vor 1989 gab es im Wohnheim Wundtstraße 9 eine Etage, in der sorbische Studenten wohnten. Durch die Sanierung des Wohnheims mussten sie „umsiedeln“, um fortan in der Petersburger Straße ihre Sprache und Traditionen zu pflegen. Im Sommer 2013 gab es das Angebot vom Studentenwerk Dresden, in den Anbau eines der Häuser am Zelleschen Weg zu ziehen. Hier gibt es gemütliche Küchen, in denen man sitzen, reden, feiern, Kaffee trinken kann. Seit dem Wintersemester 2013/2014 wohnen die sorbischen Studenten zusammen hier und wenn möglich, soll das auch bis zum Ende ihres Studiums so bleiben. Sie studieren in Dresden Maschinenbau, Lehramt, Elektrotechnik und Vermessungswesen. Sie sind keine Ausländer, sondern haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Doch wenn sie miteinander in ihrer Heimatsprache sprechen – dem Sorbischen – verstehen Berliner, Sachsen, Münchner: kein Wort.

Lehrer für Sorbische Sprache werden nur in Leipzig ausgebildet

Am 10. Dezember 1716 gründeten sechs sorbische Theologiestudenten mit Erlaubnis des Senates der Universität Leipzig das „Wendische Predigercollegium“ (später umbenannt in „Lausitzer Predigergesellschaft“ und „Landsmannschaft Sorabia“), den ersten sorbischen Verein überhaupt.² Ihr Grundsatz war zugleich ihre Grußformel: „Soraborum saluti!“ Heute ist das Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig das einzige Institut in Deutschland, an dem Sorbisch-Lehrer und Sorabisten ausgebildet werden.

Sprach- und Traditionspflege wird groß geschrieben

Vor diesem Hintergrund wird es vielleicht verständlich, dass gerade junge Sorben ihre Sprache außerhalb des Heimatortes besonders pflegen wollen. „Wir sind uns unserer Wurzeln sehr bewusst – vielleicht mehr als Studenten beispielsweise aus Brandenburg oder Hessen.“ Erzählt Jakub R.: „Auch während des Studiums halten wir enge Verbindung zu unserer Heimat.“ Die sorbischen Studenten gehen ans Sorbische Gymnasium Bautzen und halten vor Schülern Vorträge über ihr Studium in Dresden. Natürlich erzählen sie auch von der sorbischen WG im Wohnheim des Studentenwerks. „Wir freuen uns, wenn wir Abiturienten dafür begeistern können, auch in der Fremde die eigene Herkunft nicht zu vergessen.“ Ergänzt Konstantin. „Wenn zukünftige Studierende einen Wohnheimantrag für unsere WG stellen – schön! Aber wer in einem anderen Wohnheim wohnen will, kann das natürlich tun.“

Gemeinsame Veranstaltungen

Gibt es andere Gelegenheiten, sorbisches Brauchtum zu pflegen? Jakub R.: „Viele Sorbische Studenten und Alumni beteiligen sich an der jährlichen Frühlingswanderung oder kommen zum Grillen im Sommer an die Elbwiesen.“ Aller zwei Monate findet in der St. Antonius Kirche in Dresden Löbtau ein Gottesdienst in Sorbischer Sprache statt, dafür kommt extra ein Pfarrer aus einer sorbischen Gemeinde nach Dresden. Und dann gibt es ja noch das Semesterticket. Eine Zugfahrt nach Hause ist für sorbische Studenten nicht nur zu Ostern und zu Weihnachten ein „Muss“!

Anja Buch

¹Es existieren zwei sorbische Schriftsprachen, Obersorbisch (Hornjoserbš?ina) und Niedersorbisch (Dolnoserbš?ina). Die niedersorbische Sprache ist akut vom Aussterben bedroht.. Heinz Schuster-Šewc: Das Sorbische – eine slawische Sprache in Deutschland. In: Akademie-Journal 2/2001 „Sprachen in Europa“. Nach Schätzungen sorbischer Institutionen (Domowina, Sorbisches Institut) gibt es heute 20.000 bis 30.000 aktive Sprecher der sorbischen Sprache, anderen Hochrechnungen zufolge hat das Niedersorbische noch 7.000 aktive Sprecher und das Obersorbische etwa 15.000. Quelle: Wikipedia.de

²Geschichte der Sorben im 17. Und 18. Jahrhundert; Wendisches Museum Cottbus 2008

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